: Am Autopiloten
Der FC Barcelona macht beim 2:0-Sieg gegen Werder Bremen eine simple Kosten-Nutzen-Rechnung auf
BREMEN taz ■ Gerhard Schröder hatte es vermieden, am Mittwochabend im Bremer Weser-Stadion aufzukreuzen, obwohl er doch am Nachmittag in der Hansestadt einen Wahlkampftermin wahrgenommen hatte, also vor Ort war. So hatte sich der Bundeskanzler die günstige Gelegenheit entgehen lassen, die glorreiche Mannschaft des FC Barcelona beim Champions-League-Auftaktspiel zu bestaunen.
Der FC Barcelona schlug Bremen mit 2:0. Deco traf mit der ersten Gelegenheit für die Gäste nach einem feinen Zuspiel von Eto’o in der 13. Minute, ein Schüsschen bloß, doch abgefälscht durch Frank Baumann. Und 13 Minuten vor Schluss besiegelte Weltfußballer Ronaldinho die Niederlage per Elfmeter: Christian Schulz hatte den kurz zuvor eingewechselten Lionel Messi am Trikot gezupft.
Dazwischen war redliches Bemühen der Bremer zu beobachten, ein sehr ansehnliches Kombinationsspiel auch, das aber ohne Resultate blieb, zum Teil aus Pech, wie kurz vor der Halbzeitpause zu sehen war, als Johan Micoud nur den linken Pfosten traf. Aber dafür, dass der für den gesperrten Miroslav Klose stürmende Nelson Valdez vor seinem Beinahe-Namensvetter Valdés im Barça-Tor zuverlässig vergab, darf man andere Ursachen vermuten: In der 2. Minute schoss er ihm den Ball in die Beine, in der 36. schlug er den Ball aus fünf Metern Distanz weit über die Latte. Respekt. „Barcelona“, gab Valdez später einen Hinweis auf seine Seelenlage, „war einfach eine Nummer zu groß für uns.“ Mit gesenktem Blick und hängenden Schultern schlich Valdez spät in der Nacht aus der Kabine. Die Enttäuschung über die vergebenen Chancen stand ihm ins Gesicht geschrieben. Nicht einmal eines der begehrten Barça-Leibchen mochte er eintauschen: „Zum Trikot holen war ich zu traurig“, gestand der Bremer Stürmer. Frustriert flüsterte der junge Stürmer aus Paraguay: „Das ist traurig, ganz traurig für mich.“ Gemeinsam mit Sturmpartner Ivan Klasnic hatte der 21-Jährige vor allem in den zwanzig Minuten vor der Halbzeit die Abwehr des Millionen-Ensembles durcheinander gewirbelt. Nachdem er seine Chancen noch einmal im Fernsehen gesehen hatte, ging er hart mit sich ins Gericht: „So was muss ich machen. Wir waren dumm vor dem Tor.“ Ausreden wollte er dabei nicht gelten lassen: „Nicht das Wetter, nicht die Schuhe, nur allein ich war schuld, dass wir diese Chance nicht verwertet haben.“
Die Erleichterung, nicht untergegangen zu sein, sprach aus manch anderem Spieler im Anschluss an die Partie viel eher, als der Frust über die Heimniederlage. Und von geradezu unterwürfiger Ehrfurcht zeugte die Geste des Bremer Manndeckers Naldo, der durch freundliches Bitten schon zur Halbzeitpause einen Trikottausch mit Ronaldinho erwirkte.
Vielleicht macht für Naldo ja das knallgelbe Shirt des Stars die Niederlage wett. Punkte jedoch gibt es dafür nicht. „Wir haben zwei Tore geschossen, sie dagegen keins“, zog Frank Rijkaard, der Coach des FC Barcelona, sein nüchternes Fazit nach dem Champions-League-Auftakt. „Und um zu gewinnen“, setzte er schweifenden Blicks fort, „muss man Tore schießen.“ Fußball ist nun einmal ein Spiel der einfachen Wahrheiten. Und auch der Bremer Trainer Thomas Schaaf sprach die Stehsätze gelassen aus: „Ein Stück weit selbst anheften“ müsse man sich die Niederlage. Denn gegen Barcelona bekomme man „sicher nicht oft so viele Chancen“. Und wenn man sie bekomme, dann müsse man sie auch nutzen. In der Tat: Barcelonas Abwehr erwies sich als erstaunlich löchrig, und wuchtige Distanzschüsse von Naldo (46.) oder in der zweiten Hälfte von Petri Pasanen hätten zum Ausgleich führen können.
Es bleibt Spekulation, ob für die Bremer wirklich „mehr drin war“, wie ihr Coach Schaaf behauptete. Denn nach der Führung spielten die Katalanen, wie El Mundo schreibt, als hätte Rijkaard „den Autopiloten eingelegt und auf Notversorgung umgeschaltet“, mit minimalem Aufwand. Deco – blieb unauffällig. Eto’o – hielt sich zurück. Und Ronaldinho – schaltete sich, vom engagiert zweikämpfenden Patrick Owomoyela behindert, kaum ins Spiel ein. Auch da wäre wohl mehr drin gewesen. Aber echte Stars verschwenden ihr Können nicht, auch das ist eine simple Tatsache.
BENNO SCHIRRMEISTER